9. Streichquartett

Das 9. Streichquartett ist das vorletzte Quartett meines Beethoven-Studie-Streichquartettzyklus. Chronologisch ist es allerdings nach dem 10. Quartett Cavatina entstanden. Und in der Tat fühlte es sich beim Komponieren als Abschließen des Zyklus an. War das den Zyklus eröffnende 6. Quartett Studie über Beethoven noch einsätzig gewesen, das 7. zweisätzig und das 8. dreisätzig, handelt es sich bei diesem 9. Quartett um ein viersätziges Werk.

Die in der Musik heilige Zahl 9 forderte mich zu einem besonders dichten und intensiven Werk heraus. Namentlich der 2., der Scherzo-Satz und der 4. Satz Allegro alla marcia sind in ihrem Umfang und ihrer unablässigen Informations- und Impulsdichte, gemessen an ihren historischen Vorbildern, geradezu monströs geraten. Dieses 9. Quartett arbeitet sich lustvoll an Beethovens nach wie vor unerreichtem cis-moll-Streichquartett op. 131 ab.

Die Radikalität und Modernität dieses Werkes sind für uns Heutige nach wie vor brennend aktuell. Wie bei den anderen Quartetten des Beethoven-Studie-Zyklus war für mich überraschend, welche neuen Formen mir die Beschäftigung mit dem historischen Vorbild ermöglichte, welche mir bislang verborgenen Seelenräume meiner eigenen Musik mir diese Arbeit erschloss.

Waren aus meiner Beschäftigung mit den Beethoven-Sinfonien im Orchesterstück Con brio das Entdecken neuer klanglicher Möglichkeiten des Orchesters (die Pauken-Behandlung!) hervorgegangen, aus der Gegenüberstellung von Beethovens Chorfantasie mit dem lateinischen Dies irae in meinem ARCHE-Oratorium neue inhaltlich-theologische Zuspitzungen möglich geworden, ist es im Streichquartettzyklus ist es vor allem das Entstehen und Entdecken mir neuer Formen, die durch die Auseinandersetzung mit den Beethoven’schen Quartetten erst entstehen konnten.

Jörg Widmann